Neu Kartenlegen gilt für viele als faszinierender Weg, mehr über sich selbst oder über die Zukunft zu erfahren. Ob Tarot, Lenormand oder andere Kartensysteme – oft wirken die Deutungen geheimnisvoll, persönlich und erstaunlich passend. Doch der Eindruck täuscht. Wissenschaftlich betrachtet funktioniert Kartenlegen neu nicht – weder zur Vorhersage der Zukunft noch zur objektiven Analyse einer Persönlichkeit. Warum das so ist, lässt sich sehr gut erklären: durch Erkenntnisse aus der Psychologie, der Statistik und der Wissenschaftstheorie.
Psychologische Effekte täuschen Treffsicherheit nur vor
Ein zentrales Element, das Kartenlegen scheinbar „funktionieren“ lässt, ist der sogenannte Forer-Effekt, auch bekannt als Barnum-Effekt. Dieser psychologische Mechanismus beschreibt die menschliche Neigung, vage und allgemein gültige Aussagen als zutreffend auf sich selbst zu interpretieren. Wenn ein Kartenleger sagt:
„Du fühlst dich manchmal unverstanden, aber in dir steckt viel Potenzial.“
…dann wirkt das wie eine zutreffende Analyse – obwohl es auf nahezu jeden Menschen passt.
Gleichzeitig spielt auch der Confirmation Bias (Bestätigungsfehler) eine Rolle: Menschen erinnern sich bevorzugt an Aussagen, die zutreffen, und vergessen jene, die danebenlagen. Dadurch entsteht im Nachhinein der Eindruck, die Karten hätten „erstaunlich viel richtig gesehen“, obwohl die Treffer rein zufällig oder allgemein formuliert waren.
Keine wissenschaftliche Belegbarkeit oder Wiederholbarkeit
Wissenschaftliche Untersuchungen – etwa in Form von kontrollierten Studien – konnten nie belegen, dass Kartenlegen verlässliche oder reproduzierbare Informationen liefert. In Doppelblindversuchen, bei denen sowohl Kartenleger:innen als auch Klient:innen keine Vorinformationen hatten, ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine Vorhersagekraft, die über den Zufall hinausgeht.
Auch die Grundannahme, dass das zufällige Ziehen von Karten durch ein „höheres Wissen“ gesteuert würde, ist weder logisch nachvollziehbar noch empirisch belegbar. Es gibt keinen nachgewiesenen Mechanismus, durch den Karten Zugriff auf persönliche Informationen oder zukünftige Ereignisse haben könnten.
Der Zufall entscheidet – nicht das Schicksal
Beim Kartenlegen ist der zentrale Prozess – das Mischen und Ziehen der Karten – vollständig zufällig. Die Reihenfolge der Karten wird bei jedem Mischen neu bestimmt, sodass bei jedem Legen ein anderes Bild entsteht. Es gibt keine Möglichkeit, dass Karten gezielt in einer bestimmten Reihenfolge erscheinen, um spezifische Informationen zu übermitteln. Dass eine bestimmte Karte gezogen wird, ist reiner Zufall – und Zufall enthält keine Bedeutung, sondern nur Wahrscheinlichkeit.
Wirkung durch Gespräch und Deutung – nicht durch Karten
Was beim Kartenlegen tatsächlich wirkt, ist nicht die Magie der Karten selbst, sondern die interaktive Deutungssituation. Kartenleger:innen sind oft geschult in Gesprächsführung, Menschenkenntnis und dem Lesen nonverbaler Signale. Sie erkennen durch Sprache, Mimik, Körperhaltung und Reaktionen, welche Themen die Person bewegen, und bauen daraus eine Geschichte, die mit den Symbolen der Karten unterlegt wird.
Diese Methode funktioniert ähnlich wie beim „Cold Reading“ – einer Technik, die auch von Bühnenmagiern verwendet wird, um scheinbar „übersinnliche“ Erkenntnisse zu gewinnen, ohne tatsächlich über verborgenes Wissen zu verfügen.
Keine objektiven oder einheitlichen Bedeutungen
Ein weiteres Problem des Kartenlegens liegt darin, dass Kartensysteme keine objektiven, überprüfbaren Regeln enthalten. Die Bedeutung einer Karte – etwa der „Turm“ im Tarot – kann völlig unterschiedlich gedeutet werden: als Isolation, als Rückzug, als Zusammenbruch oder sogar als spirituelle Öffnung. Diese Beliebigkeit macht jede Aussage interpretationsabhängig und damit unwissenschaftlich. Es gibt kein standardisiertes System, das unabhängig vom Leser gültig wäre.
Fazit: Neu Kartenlegen wirkt nur durch psychologische Mechanismen
Zusammenfassend lässt sich sagen: Kartenlegen neu funktioniert nicht als übernatürliche oder zuverlässige Methode zur Zukunftsdeutung oder Selbsterkenntnis. Es wirkt nur über eine Kombination aus:
-
psychologischer Suggestion,
-
Zufall,
-
subjektiver Interpretation und
-
zwischenmenschlicher Kommunikation.
Diese Effekte können durchaus emotional oder klärend wirken, was erklärt, warum manche Menschen sich nach einer Sitzung „verstanden“, „berührt“ oder selbstbewusster fühlen – doch dies ist eine Wirkung des Gesprächs, nicht der Karten selbst. Aus wissenschaftlicher Sicht bleibt Kartenlegen daher eine nicht belegbare, esoterische Praktik ohne nachweisbare Grundlage.
Wann kann Kartenlegen neu gefährlich werden?
Kartenlegen mag auf den ersten Blick harmlos wirken – als eine spirituelle Spielerei oder Möglichkeit zur Selbstreflexion. Doch Kartenlegen kann gefährlich werden, wenn es kritisch wichtige Lebensentscheidungen beeinflusst, Abhängigkeiten schafft oder ausgenutzt wird, um Menschen finanziell oder emotional zu manipulieren.
Hier sind die wichtigsten Gefahren im Detail:
1. 🧠 Psychische Abhängigkeit und Kontrollverlust
Viele Menschen suchen Kartenleger:innen auf, weil sie sich in einer Krise befinden – etwa bei Liebeskummer, Krankheit oder Jobverlust. Wer in einer solchen Phase regelmäßig Karten befragt, kann in eine Abhängigkeit geraten:
-
Man trifft keine eigenen Entscheidungen mehr, sondern „fragt erst die Karten“.
-
Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung nehmen ab.
-
Angst vor falschen Schritten entsteht, wenn keine Kartenberatung stattfindet.
Diese Abhängigkeit kann zu einem Gefühl führen, das eigene Leben nicht mehr selbst steuern zu können, was langfristig sehr belastend ist.
2. 💸 Finanzielle Ausbeutung
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Menschen in Notlage finanziell ausgebeutet werden:
-
Viele Anbieter locken mit kostenlosen Erstgesprächen, um dann in teure Hotlines oder Abo-Modelle überzuleiten.
-
Oft werden Versprechungen gemacht wie: „Du musst noch eine Karte nachlegen, dann erkenne ich die Lösung.“
-
Langfristige Sitzungen oder Ritualkäufe (z. B. „Liebeszauber“, „Blockadenlösungen“) kosten oft Hunderte bis Tausende Euro.
Menschen, die verzweifelt sind, geben manchmal ihr letztes Geld aus, in der Hoffnung auf Veränderung – oft ohne echte Hilfe zu erhalten.
3. 🧬 Falsche Hoffnungen oder gefährliche Ratschläge
Besonders heikel wird es, wenn Kartenleger:innen zu Themen wie Krankheit, Tod, Trennung oder Schwangerschaft Aussagen treffen. Gefährlich ist z. B.:
-
Wenn jemand einen Arztbesuch hinauszögert, weil „die Karten Heilung versprechen“.
-
Wenn ein Partner verlassen wird, weil „die Karten eine neue Liebe ankündigen“.
-
Wenn jemand wichtige Entscheidungen nicht rational trifft, sondern „nach Gefühl der Karten“.
Solche Situationen können zu schweren realen Konsequenzen führen – im schlimmsten Fall gesundheitlich, juristisch oder finanziell.
4. 🕵️♀️ Manipulation durch „Hellseher“ oder „esoterische Coaches“
Manche Kartenleger:innen arbeiten mit emotionaler Manipulation:
-
Sie erzählen gezielt Dinge, die Angst machen (z. B. „Eine dunkle Energie verfolgt dich“), um dann eine kostenpflichtige Lösung anzubieten.
-
Sie versprechen Dinge, die niemand garantieren kann (z. B. „Dein Ex kommt zurück, wenn du dieses Reinigungsritual kaufst“).
-
Sie beeinflussen das Denken, indem sie Menschen von ihrer Deutung abhängig machen („Nur ich kann das richtig lesen“).
In diesen Fällen handelt es sich nicht mehr um spirituelle Begleitung, sondern um gezielte psychologische Kontrolle – das ist hochproblematisch.
5. 🧪 Verlust von Rationalität und kritischem Denken
Regelmäßiges Kartenlegen kann dazu führen, dass Menschen:
-
zufällige Ereignisse überdeuten („Diese Karte hatte Recht!“),
-
wissenschaftlich fundierte Zusammenhänge ablehnen („Die Karten wussten es besser als mein Arzt“),
-
und sich in eine esoterische Parallelwelt zurückziehen, in der „Energie“, „Karma“ oder „Universum“ plötzlich alle Erklärungen liefern.
Das kann langfristig dazu führen, dass Betroffene den Bezug zur Realität verlieren – und sich von rationalen Entscheidungen oder sozialen Beziehungen distanzieren.
Fazit: Kartenlegen ist nicht immer harmlos
Kartenlegen neu kann für manche als Selbstreflexion dienen – ähnlich wie ein Tagebuch. Doch es kann schnell gefährlich werden, wenn:
-
Menschen in schwierigen Lebensphasen falsche Hoffnung schöpfen,
-
sich emotional oder finanziell abhängig machen,
-
oder durch die Deutungen schädliche Entscheidungen treffen.
Darum ist es wichtig, Kartenlegen nicht als Lebenshilfe oder Therapieersatz zu sehen – sondern höchstens als symbolisches Ritual. Wer echte Unterstützung sucht, sollte sich an psychologische Fachkräfte, Ärzt:innen oder Beratungsstellen wenden – nicht an Karten und Wahrsagerei.